Colette konnte ihre Aufregung nicht gänzlich verbergen. Die Dienstmädchen wurden von ihr auf Trab gehalten, damit Madames Wohnung den hohen Ansprüchen genügen konnte. Es handelte sich immerhin um einen besonderen Gast, den Colette seit langen Monaten nicht mehr gesehen hatte. Der Baron wollte das Wochenende bei ihr verbringen, worüber Madame sehr glücklich war. Heinrich weilte außer Haus, da Colette ihn darum gebeten hatte. Der Baron wusste von ihrer Liaison mit Herrn Greven, da Colette Heimlichkeiten verabscheute. Trotzdem war es ihr angenehmer, wenn Heinrich und der Baron nicht aufeinander trafen. Die Männer waren alte Freunde, aber Colette kannte die Eigenschaften dieses sensiblen Geschlechts nur zu gut. Auf eventuelle Eifersuchtsdramen konnte sie gerne verzichten, weshalb es so am besten schien. Heinrich war ihr nicht böse, da auch er andere Freundschaften pflegte, bei denen es zu manch pikantem Spiel kam. Er wollte seine gute Freundin aus Kindertagen besuchen, mit der er schon im Sandkasten Schule gespielt hatte. Helene gab noch heute gerne das bezopfte Schulmädel, das der strenge Herr Lehrer an die Tafel rief. Heinrich freute sich schon auf diese anregenden Episoden, die er in originalgetreuer Umgebung genießen wollte. Nathalies Mann überließ ihm den Schlüssel zum Schulhaus, indem er sonst selbst unterrichtete. Der Dorflehrer bat Heinrich darum, nicht zu viel Lärm zu machen, wenn er im Schulhaus verweilt. Heinrich versprach, vorsichtig sein zu wollen, wenn er spätabends mit Helene im Schlepptau die Türen aufschloss. Er wollte sich diesen schönen Ort bewahren, dessen besonderes Ambiente für Herzklopfen sorgte. Er dachte an Helene, die zu den sympathischsten Menschen in seinem Bekanntenkreis gehörte. Er erzählte Madame, wie sehr er diesem Treffen entgegen fieberte. Colette freute sich ehrlich, dass Heinrich so gut versorgt zu sein schien. Sie scheuchte die Mädchen durch jedes Zimmer, damit alles seine Ordnung hatte, wenn ihr Gast endlich eintraf. Am späten Nachmittag war es dann so weit. Colette erwartete den Baron vor dem Haus, um ihn gleich nach der Ankunft begrüßen zu können. Madame war der Meinung, dass er einen persönlichen Empfang verdient hatte! Der Baron mochte die Sechzig hinter sich gelassen haben, aber er sah immer noch verteufelt gut aus. Sein schwarzer Schnäuzer war einem gepflegten, eisgrauen Vollbart gewichen. Der Baron war noch immer schlank, wenngleich er nun ein kleines Bäuchlein sein eigen nannte. Colette schmunzelte, als er seinen Bauch einzog, während er Colettes Hand küsste. „Was ist denn so spaßig, Colette?“, fragte er in gespielt ernstem Tonfall. „Ich amüsiere mich darüber, wie du deine spannige Weste kaschierst!“ Der Baron lachte, um Colette einen Klaps zu geben. „Ich seh schon, dass du noch immer frech bist!“
Colette streckte dem Herrn die Zunge raus, um ihn dann zum Kaffeetisch zu führen. Dort saßen schon ihre Mädchen, die Madame nun nacheinander vorstellte. Sie begann mit der Ältesten, Komtesse Selma. „Darf ich dir unsere Komtesse vorstellen? Selma von Liebig gehört zu einem alten Adelsgeschlecht, was dir sicherlich geläufig ist. Ihre Familie schickte zu mir, da sie mit dem Betragen der Grafentochter unzufrieden war. Nach anfänglichen Diskrepanzen verstehen wir uns immer besser. Nicht wahr, Selma?“ Die Komtesse blickte starr auf die Tischplatte. Sie presste ein klägliches „Ja“ hervor, da ihr die Situation mehr als unangenehm war. Der Baron nahm auf ihre Scham Rücksicht, indem er nicht weiter nachfragte. Colette nannte nun Nathalies und dann Nellys Namen, wobei Madame auch bei ihnen auf diverse Defizite verwies. „Nathalie ist die Frau des Dorflehrers. Er ist der Ansicht, dass seine Gattin mitunter Erziehung braucht, die ihr in jungen Jahren gefehlt hat. Bei Nelly war es der Papa, dem das Betragen seiner Tochter Sorge bereitet. Der Apotheker übertrug mir die Aufgabe, Nelly den Weg zu weisen, was ich gerne tue.“ Der Baron küsste den Damen die Hände. Die drei Frauen waren von Anfang an begeistert, ob des Charmes, den dieser graumelierte Herr versprühte. Der Baron schmunzelte, als Colette von Erziehung sprach. Er vermutete, dass dieselbe auf den Kehrseiten der jungen Damen stattfand, was er höchst amüsant fand. Er erinnerte sich an das scheue Mädchen aus dem Elsass, dem er vor über 10 Jahren eine Stellung als Hausmädchen anbot……
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Grüssle
Holger