Wer kennt sie nicht, die Ballade "Zauberlehrling" von Johann Wolfgang von Goethe. Schon in der Schule hat mich dieses Werk irgendwie angesprochen. Weniger angetan war ich davon, dass wir das Ding auswendig lernen mussten. Doch der Erfolg davon ist, dass Teile daraus bis heute hängen geblieben sind. Ich hatte damals in der Schule auch mal eine Blödel-Version des Gedichtes auf unseren Deutschlehrer und Schuldirektor geschrieben und diese in unserem Klassenzimmer ausgehangen. Doch davon war nun unser Lehrer nicht sonderlich amüsiert, obwohl ich und meine Klassenkameraden dies sehr lustig fanden.
Kürzlich hörte ich die Ballade auf eindrucksvolle Weise wieder mal vorgetragen bei einer Veranstaltung. Das hat meine Erinnerungen zurück gerufen und - vermischt mit meinen aktuellen Eindrücken - mich dazu animiert, einen neuen Text, angelehnt am Vorbild, zu reimen. Den Rohentwurf erstmal fertig gestellt, hat sich gezeigt, dass es der alte Meister Goethe wirklich drauf hatte. Denn an dessen Versmaß und Reimschema heranzukommen, war gar nicht so einfach. Und das neue "Werk" sollte ja dessen Vorgabe entsprechen.
Glücklicherweise hat sich eine versierte Schreiberin, nämlich unsere liebe carolyn, eingebracht und in mehreren Arbeitsschritten ist aus meinem ursprünglichen ersten Entwurf unser gemeinsames Werk entstanden. Dieses möchte ich euch nun präsentieren und wünsche viel Spaß beim Lesen. Vielleicht animiert es ja zu Ergänzungen, Weiterführungen oder eigenen Kreationen ...
Das missglückte Zauberlehrstück
Hat der alt‘ Erziehungsmeister
sich doch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Geister
auch nach meinem Willen leben.
Seine Wort und Werke
merkt‘ ich und den Brauch,
und mit Geistesstärke
tu ich Wunder auch.
Walle! Walle
manche Strecke,
dass zum Zwecke
reichlich Hiebe
heftig und mit vollem Schwalle
zu ‘nem Arschvoll sich ergiebe.
Und nun komm, du alter Rattan,
schnell heraus aus deiner Hüllen.
Hast schon lang nicht mehr dein Werk ‘tan,
nun erfülle meinen Willen.
Durch die Luft sollst sausen,
Pfeifen soll entsteh’n,
Schauder den ergreifen,
auf den wirst nieder geh’n.
Walle! Walle
manche Strecke,
dass zum Zwecke
reichlich Hiebe
heftig und mit vollem Schwalle
zu ‘nem Arschvoll sich ergiebe.
Seht, der Rohrstock sucht und schweifet
nach ‘nem schönen Hinterteile.
Schwirret durch die Luft ganz eifrig
zischt schon, ohne groß‘ Verweile.
Doch – o Schreck, wen findt‘ er?
Klar, ist niemand hier.
D’rum haut er nun mich her,
s’war nicht mein Gespür!
Stehe! Stehe
blöder Stecken,
sollst verrecken,
angefressen
bin ich tierisch! Wehe! Wehe!
Hab ich doch das Wort vergessen.
Ach, das Wort, worauf am Ende
er verschwindet in der Hülle,
ich erlöst wär, ganz behende
und danach ist wieder Stille.
Immer weit’re Hiebe
prasseln auf mich ein,
trotz der Neigungsliebe:
lass es doch nun sein!
Nein, nicht länger
kann ich‘s lassen,
will ihn fassen.
Das ist Tücke!
Ach! nun wird mir immer bänger!
Welche Miene! welche Blicke!
O du Ausgeburt der Hölle!
Soll ich nicht mehr können sitzen?
Aber wart – dort an der Schwelle
sah doch eine Axt ich blitzen.
Ach, der Stiel ist griffig,
hau den Kerl entzwei.
Schaut, was bin ich pfiffig!
Unheil ist vorbei.
Aber! Unglück –
schöne Scheiße,
denn ganz leise
nun zwei Prügel,
welch ein blödes Missgeschick,
hau‘n als Zwilling meine Hügel!
Ach herrjeh – von beiden Seiten
brennt‘s und zieht‘s – mal hie, mal da,
Hiebe auf die Backen gleiten,
wär doch nur der Alte da!
Seht, da kommt der Meister.
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister,
wird‘ ich nun nicht los!
Walle! Walle
manche Strecke,
dass zum Zwecke
reichlich Hiebe
heftig und mit vollem Schwalle
zu ‘nem Arschvoll sich ergiebe.
„Dummer Zögling ohne Ehren,
wollt’st in meinen Spuren gleiten.
Doch der Rattan tat’s dich lehren,
und den Wunsch dir arg verleiden.
Recht soll’s dir geschehen,
richtig duchgehau‘n.
Rohrstöck‘ – bleibt nicht stehen!
Will das Werk beschau‘n.“
Nein, nicht länger
kann ich‘s lassen,
will ihn fassen.
Das ist Tücke!
Ach! nun wird mir immer bänger!
Welche Miene! welche Blicke!
’S kommt nicht an auf meine Mienen,
Meister lässt noch lang gewähren,
bis ich hab heftige Striemen,
die zur Bess‘rung mich belehren.
Meister hör ich flüstern,
Hiebe gehen zu End‘,
bin gar nicht mehr lüstern,
Lehrling nur, der flennt.
Walle! Walle -
von mir nicht mehr!
War genug Lehr‘.
Nehme Abstand
von des Rattans Zauberschwalle,
dessen Lösungsspruch ich nie fand.